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Wo liegen die Vorteile der «Nose to Tail»-Philosophie und welche weniger bekannten Stücke des Tieres schmecken besonders? Cookinesi hat sich mit Spitzenkoch Tobias Funke zum Thema unterhalten…

Als ich Tobias in seiner superschicken Kleidung, mit den Stahlblauen Augen und dem sympathischen Lachen zum ersten Mal sah, hätte ich nicht darauf getippt, dass er ein Koch ist, der sich mit uralten Rezepten auseinandersetzt und nach dem «Nose to Tail»-Prinzip kocht. Einfach, weil mir bei diesem Thema irgendwie eher urchige, ältere Männer vor dem geistigen Auge erscheinen. Tja, so kann man sich täuschen… Für die Sendung «Beef Club» (Sat. 1 Schweiz, Start der 3. Staffel ist am 30. März um 19.55 Uhr) sitzen wir nebeneinander in der Jury und bewerten kreative Gerichte verschiedenster Façon. Normalerweise ist der Platz des Kochs von Jacky Donatz besetzt, da dieser aber gerade mit gebrochenem Arm im Spital liegt, freuen wir uns über Tobias’ Expertise. Er beeindruckt mich mit seinem enormen Wissen, besonders im Fleisch-Bereich.

Dass sich das «Nose to Tail»-Prinzip in den letzten Jahren so etabliert hat, freut mich sehr, weil damit die Philosophie verfolgt wird, möglichst alles vom Tier zu verwenden – eben von der Nase bis zum Schwanz. Nicht nur die Filets sollen auf den Tellern landen und der Rest im Müll. Dasselbe Prinzip ist auch im vegetarischen Bereich gerade angesagt, ganz nach dem Motto «Root to Leaf» (von der Wurzel bis zum Blatt). Auch wenn ich mich selber oft noch überwinden muss, die weniger «üblichen» Stücke eines Tieres zu essen, wollte ich von Tobias noch ein wenig mehr über diese neue Art des Fleischessens erfahren.

Tobias, was hat sich am Fleischkonsum der Schweizer in den letzten Jahren geändert, wie nimmst Du das Thema war?
Die Gäste sind offener geworden in Bezug auf Fleisch. Konkret heisst das, dass wir auch Geschmortes zubereiten dürfen oder auch ein Bürgermeisterstück verkauft werden kann. Was natürlich den Gedanken «Nose to Tail» perfekt aufgreift.

 Anmerkung: Das Bürgermeisterstück, auch Pastorenstück genannt, liegt beim Rind oberhalb der Keule und kam früher nur beim Bürgermeister oder Pastor auf den Tisch, weil es ganz besonders zart ist. Ich selber habe es auch schon probiert und kann es nur empfehlen!

Alles spricht von «Nose-to-Tail»! Ist aber der Trend tatsächlich in Schweizer Restaurants und Haushalten angekommen oder meint man das nur, weil man viel darüber in der Presse liest?
Der Trend ist definitiv angekommen, die Gäste fragen im Restaurant danach, und sie geniessen diese neue/alte Art zu essen. Auch die Grossverteiler greifen dieses Thema immer mehr auf und bieten vermehrt unbekanntere Stücke an.

Meine Mama erzählt mir immer wieder die Geschichte, dass sich früher alle fünf Geschwister am Tisch eine einzige Wurst teilen mussten. Wurde früher, in der Generation unserer Eltern, allgemein weniger oder anders Fleisch gegessen?
Fleisch ist auch heute noch Luxus, durch die Globalisierung kommen wir einfach an viel günstigeres Fleisch aus dem Ausland heran, was ich zwar nicht verstehe, aber leider eine Tatsache ist. Früher gab es vielleicht einmal in der Woche Fleisch und dann kein Filet oder Entrecôte.

Welche «Nose to Tail»-Rezepte kommen bei Deinen Gästen im «Gasthaus zur Fernsicht» in Heiden besonders gut an?
Ich habe im 2010 nach längerem Studium in der Nationalbibliothek in Bern und im Staatsarchiv von Uri die älteste Speisekarte der Schweiz geschrieben. Anschliessend haben wir fast ein Jahr lang zusätzlich Gerichte wie grilliertes Ochsenherz, Fleischbällchen mit Schweinsohrenstreifen oder Roulade aus Kalbszunge im Krebsmantel angeboten. Heute verkaufen wir vor allem in unserem gutbürgerlichen Restaurant wieder Gerichte wie Hackbraten, Federstück, Flanksteak oder einen 48h geschmorten Braten aus der Schulter vom Schwein.

Welches ist Dein persönlich liebstes «Nose to Tail»-Rezept?
Das grillierte Ochsenherz mit Grünkernrisotto…

Was hältst Du von «Root to Leaf»? Ist das auch eine Ideologie, die in Deiner Küche umgesetzt wird?
Ebenfalls eine sehr spannende Sache. Ob eine Kerbelwurzel oder die Blätter einer Artischocke verarbeitet werden – das Thema bietet eine äusserst breite Facette an Aromen. Vor einem Jahr haben wir ein Rezept mit Chiccorée-Wurzeln kreiert, das hat wunderbar geschmeckt.

Könntest Du vegetarisch leben?
Ich glaube nicht, ich esse sehr gern Fleisch, aber nicht jeden Tag. Ich liebe es genauso eine Woche auf Fleisch zu verzichten. Für mich ist es einfach sehr wichtig – egal, welche Produkte die ich zu mir nehme -, dass diese qualitativ top sind, ich möchte nichts Gespritztes oder mit Kraftfutter ernährte Tiere essen. Auch bei unseren Restaurants schauen wir sehr genau darauf, woher die Produkte kommen und wie sie verarbeitet wurden. Wir sind sicherlich noch nicht perfekt, Aber jeden Tag bestrebt, besser zu werden und alle Produkte von Anfang an zu verstehen. Auch dieses Jahr sind bereits wieder Reisen zu Produzenten nach Irland, Schottland und Frankreich geplant.

Wenn Du Deine Traumfrau kennenlernen würdest und sie wäre Veganerin, wäre dies ein Problem?
Boah der ist fies…kehren wir die Sache einfach um: Ich denke eine Veganerin würde es nicht lange mit mir aushalten (lacht).

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